Was ist heimisch? Was nicht? Welche Pflanzen sind in einem Naturgarten sinnvoll?

Neophyten, invasive Neophyten, Archäophyten, autochthone Arten: diese Begriffe tauchen immer dann auf, wenn man sich näher mit Wildpflanzen beschäftigt.

Begriffsdefinition:

– INDIGENE ARTEN = AUTOCHTHONE ARTEN: Diese Arten waren schon immer bei uns heimisch, sind sozusagen die botanischen Ureinwohners Mitteleuropas.

– ARCHÄOPHYTEN: Diese Arten wurden noch vor der Entdeckung Amerikas (1492) bei uns eingeführt und pflanzen sich seitdem eigenständig fort. Viele Arten stammen aus dem Mitteleuropäischen Raum und Westasien und wurden im Zuge des Ackerbaus und unter dem Einfluss der Römer etabliert.

– NEOPHYTEN: Hier handelt es sich um alle Arten, die nach 1492 eingeführt oder eingeschleppt wurden. Die Entdeckung Amerikas als Fixpunkt wurde deswegen gewählt, weil ab da ein zunehmend intensiverer Austausch zwischen Amerika und Europa stattfand. In Deutschland kommen etwa 1000 gebietsfremde Gefäßpflanzen vor, davon sind allerdings nur etwa 400 beständig etabliert und nur etwa 40 dieser Neophyten gelten als invasiv.

Diese Begriffe ermöglichen es uns, einen groben Zeitrahmen festzulegen, wann sich eine Art bei uns etabliert hat, hier handelt es sich NICHT um eine moralische Wertung, wie manch jemand vermutet.

Sind Tomaten und Kartoffeln dann auch Neophyten?

Ja, selbstverständlich sind sie das, weil sie eindeutig nach 1492 eingeführt wurden! Das macht diese Arten nicht verwerflich, schlecht oder minderwertig, sondern setzt lediglich eine sachliche Markierung auf der Zeitachse, mehr nicht. Der Unterschied ist, dass sie sich nicht unkontrolliert in der freien Natur ausbreiten. Oder habt ihr schon große wilde Tomatenfelder gesehen?

Bei der Neophytendiskussion geht es üblicherweise NUR um die wenigen INVASIVEN Arten. Dabei kommt es jedoch immer zu Missverständnissen. Niemand verlangt die Ausrottung sämtlicher Neophyten.

Stark vereinfacht ausgedrückt kann bei Neophyten die Zehnerregel angewendet werden: von 1000 eingeführten Arten schaffen ca. 100 den Sprung ins Freiland, ca. 10 Arten etablieren sich dauerhaft und ca. 1 Art wird invasiv. Der Großteil all dieser Arten ist gut eingebürgert und hat sich mit der einheimischen Flora arrangiert.

Ein konkretes Beispiel:

Das Kleinblütige Springkraut (Impatiens parviflora) ist genauso ein Neophyt wie das Drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera). Das Kleinblütige Springkraut wächst in unseren Wäldern oft in unmittelbarer Nachbarschaft des echten Springkrauts (Impatiens nolit-tangere), unsere einzige einheimische Springkrautart. Beide Arten können nebeneinander vorkommen, ohne dass eine Art die andere verdrängt.

Im Gegensatz dazu ist das Drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera) ein klassischer invasiver Neophyt, der alle anderen Arten gnadenlos verdrängt. Kilometerlange Springkraut-Monokulturen entlang von Bachläufen sind immer wieder ein erschreckender Anblick.

Springkraut wächst nicht, wie häufig behauptet wird, ausschließlich an überdüngten Standorten, das ist falsch. Da es einjährig ist, bleibt am Ende jeder Vegetationsperiode sehr viel abgestorbene Biomasse übrig, die Pflanzen können extrem hoch werden. Insofern trägt diese Art nicht dazu bei, Nährstoffe aus dem Boden zu ziehen, ganz im Gegenteil. Da ausdauernde Arten fehlen, wird der Boden nicht mehr durch die Wurzeln stabilisiert und gefestigt. Bei Hochwasser kommt es daher zu massiven Erosionserscheinungen. Das Wurzelgeflecht des Springkrauts selbst ist sehr schwach ausgeprägt und trägt damit nicht zur Festigung der Böschungen und Ufer bei. Die Pflanzen werden mitgerissen und irgendwo stromabwärts angeschwemmt, wo sie sofort wieder an den Knoten wurzeln und neu austreiben, ein Teufelskreis.

Bachufer haben eine spezifische Flora, die mit dem Auftreten des Springkrauts nach und nach verarmt. Das gilt auch für Waldränder, wo Springkraut hervorragend wächst. Springkraut füllt bei uns keine frei gewordene ökologische Nische, sondern drängt sich massiv in bereits etablierte Nischen. Sogar an relativ trockenen Standorten behauptet es sich erstaunlich gut.

Auszug der invasiven Neophyten laut naturschutzfachlicher Invasivitätsbewertung:

Die folgenden invasiven Arten sollten in einem Naturgarten, einem Hortus, aber auch in einem konventionellen Garten, absolut nichts verloren haben:

– Götterbaum (Ailanthus altissima)
– Blauglockenbaum, Paulownie (Paulownia tomentosa)
– Spätblühende Traubenkirsche (Prunus serotina)
– Essigbaum, Sumach (Rhys typhina)
– Robinie, falsche Akazie (Robinia pseudacacia)
– Schmetterlingsstrauch, Sommerflieder (Buddleja davidii)
– Seidiger Hartriegel (Cornus sericea)
– Kirschlorbeer (Prunus laurocerasus)
– Tobinambur (Helianthus tuberosus)
– Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum)
– Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera)
– Japanischer Staudenknöterich (Fallopia japonica), Sachalin-Knöterich und Hybride
– Kanadische Goldrute (Solidageo canadensis)
– Ausläuferbildende Bambusarten

Häufig hört man in der Neophytendiskussion das Argument: „Die Natur wird das schon wieder richten!“

Diese viel zitierten Selbstheilungskräfte der Natur funktionieren aber nur im Rahmen extrem langer Zeiträume und in einem intakten Ökosystem. Wir reden hier leider nicht von natürlichen Prozessen, die lediglich beschleunigt wurden, sondern von Arten, die aus ihrem Ökosystem gerissen, auf andere Kontinente verfrachtet und in ein völlig fremdes System katapultiert wurden, in dem das komplette natürliche Umfeld sowie alle Gegenspieler fehlen. Wie sollen hier die die alten Regulationsmechanismen noch greifen? Natürlich wandelt sich die Natur kontinuierlich, aber solche Prozesse sind langwierig und erfolgen in kleinen Schritten. Arten überspringen nicht einfach mal so von einem Kontinent zu einem anderen.

„Aber sie liefern doch Nektar und Pollen!“

Immer wieder wird in Diskussionen auch der (scheinbare) „Wert“ invasiver Neophyten für die Insekten angeführt. Hier wird völlig außer Acht gelassen, dass der ökologische Wert einer Pflanze nicht nur nach Pollen und Nektar bewertet wird. Es gibt unter anderem auch Blattfresser, Minierer, Gallbildner, Säftesauger wie Zikaden, Wurzelfresser und viele mehr. Jede einheimische Pflanzenart ist immer mit einer vielen Tierarten vergesellschaftet. Bei Neophyten ist die Anzahl der Arten, die von einer Pflanze abhängig sind, generell deutlich geringer. Auch auf dem Pollen- und Nektarsektor gibt es immer einheimische Alternativen, invasive Arten sind also hier in keinster Weise erforderlich.

„Aber manche sind medizinisch so wertvoll!“

Auch medizinisch wirksame Inhaltsstoffe invasiver Neophyten werden oft gepriesen. Fast alle biochemischen Inhaltsstoffe invasiver Neophyten finden sich in der Regel auch immer bei einheimischen Arten, zum Beispiel das völlig überbewertete Quercetin aus dem Drüsigen Springkraut. Es wird aber genauso in Heidelbeeren, Liebstöckel, Grünkohl, Schnittlauch, Kirschen, Himbeeren, Zwiebeln, Sanddorn und der Eberesche synthetisiert. Erstaunlicherweise kräht aber bei den einheimischen Pflanzenarten kein Hahn danach, was mich an stark an die „Superfoods“ erinnert…. Deren Inhaltsstoffe sind genauso in heimischen Pflanzen enthalten.

Das Problem:

Das Problem bei allen invasiven Neophyten ist weniger ihre Anwesenheit in unseren Gärten, sondern die Möglichkeit, hier einen weiteren „Infektionsherd“ zu schaffen, von dem aus sich diese Arten in der freien Landschaft ansiedeln können, wo sie mit ihrem verheerenden Vermehrungspotenzial einheimische Arten verdrängen können. Die meisten invasiven Arten hatten ihren Ursprung in privaten Gärten, bis sie dann irgendwann den Sprung ins Freiland geschafft haben. Die Bekämpfung solcher invasiver Arten gelingt meist nur in der Anfangsphase und ist immer extrem aufwendig. Inzwischen gibt es zahllose große Flächen, die mehr oder weniger den Status einer Monokultur haben, wo alle Bekämpfungsmaßnahmen inzwischen eingestellt wurden, weil sie in diesem fortgeschrittenen Stadium wirkungslos bleiben. Verglichen mit einer komplexen Pflanzengesellschaft haben Monokulturen einen extrem geringen ökologischen Wert.

 

Für jeden der invasiven Neophyten gibt es zahlreiche einheimische Alternativen, daher besteht absolut kein Grund, sie bei uns anzusiedeln. Letztendlich trägt jeder Gartenbesitzer die Verantwortung, eine weitere Ausbreitung solcher Arten zu verhindern und sollte sich dessen auch bewusst sein.

Wir können nicht empfehlen, dass wir invasive Arten (laut der Naturschutzfachlichen Invasivitätsbewertungen des Deutschen Bundesamtes für Naturschutz, des Institutes für Ökologie, Berlin und des Umweltbundesamtes, Wien) neu anpflanzen oder im Hortus belassen. Wenn man die Wahl hat, sollte man auf einheimische Alternativen zurückgreifen, weil sie einen größeren Nutzen darstellen.

Pflanzt mehr heimische Natur in euren Gärten an! Die Tierwelt wird es euch danken!

Und eure Enkel und Urenkel auch….

Alles Liebe, eure Karin!

Textauszüge adaptiert mit freundlicher Genehmigung des Autors Werner David von Karin Kurzmann.

Titelbild: Drüsenblättrige Kugeldistel (Echinops sphaerocephalus) Invasiver Neophyt, mit Dolchwespe.

HIER geht es zur Erklärung der Grauen und Schwarzen Liste.

Ich habe in diesem Beitrag zahlreiche Links zu diesem Thema für euch gesammelt:

Link zur Homepage von Werner David: Naturgartenfreude

Umweltberatung Wien: Invasive Pflanzen